Henkersnacht

Die Henkersnacht - das besondere Event in Rees

Rees am Niederrhein im tiefsten Mittelalter. 

Empfangen werden die vier Gäste vom grusligen Butler Victor. Neben einigen flotten Sprüchen hat der Butler auch einen Begrüßungstrunk auf Lager. Sollten sich die Gäste nach einer kleinen Einweisung mit Video noch immer trauen die Henkersnacht fortzusetzen, geht es in die Rheinterrassen Collins, einem Restaurant mit mittelalterlichen Flair. Hier dürfen die Gäste mit Blick auf den Rhein ihre Henkersmahlzeit einnehmen. Wie es sich für eine anständige letzte Mahlzeit gehört: mit Vorspeise, Hauptgericht (auf Wunsch auch vegetarisch) und Nachspeise – geschmacklich lecker, aber ein wenig unappetitlich anzusehen.

Zu viel Zeit sollten sich die Gäste hier aber nicht lassen, nach einer Stunde holt der Henker die Verurteilten zu ihrer Hinrichtung ab. Wer sich aber besonders gut mit dem Scharfrichter stellt, ihm vielleicht das eine oder andere Bier ausgibt und immer passend über die makabren Witze lacht – hat gute Chancen seine Hinrichtung zu überleben. Anstatt für eine „Vierteilung“, nimmt sich dann der Henker Zeit für eine Führung durch die mittelalterliche Stadt Rees. Hier lernen die Delinquenten vieles über die Tätigkeit und das Leben des Henkers und der Historie der Stadt. 

Knapp der eigenen Hinrichtung entgangen, geht es anschließend in die Gruft der Toten. Diese Toten hatten mit ihrem Henker nicht so viel Glück und wurden – meist nach der Hinrichtung - in diesem Gewölbekeller eingemauert. Wie viele Tote dort seit Jahrhunderten liegen, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, aber man kommt ihnen näher, als einem lieb ist. 

Es hilft dann nur die Flucht in die eigenen Gemächer. Hier hat man ein wenig Zeit, den Puls wieder auf Normalniveau herunterzubekommen. Viel Zeit bleibt aber nicht, pünktlich um 0 Uhr beginnt die Geisterstunde...

... und die hat es wohl in sich. Wir haben leider niemanden gefunden, der dieses Martyrium überlebt hat und sich dann noch traut, öffentlich über die Geschehnisse der Nacht zu reden. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Haus - in dem die Gäste ansonsten First-Class untergebracht sind – wohl um die alte Wirkungsstätte des Reeser Henkers. Ob der Henker hier auch gewohnt hat oder nur seiner Arbeit oder persönlicher Fortbildung nachgegangen ist, haben vielleicht die Gäste der Henkersnacht noch erfahren. 

Aus dem Mittelalter zurück in den März 2017: Die Henkersnacht geht an den Start. 

Die Henkersnacht des Reesers Tomas Nienhuysen, im normalen Leben - Inhaber eines Friseursalons – ist ein in Europa einmaliges Horror-Erlebnis. Es ist ein Abend-Arrangement mit Live-Schauspielern, bei dem man sich gruseln aber auch lachen kann. „Tommi“ begegnet seinen Gästen in stilvoller und grusliger Verkleidung als Butler Victor. Der Henker wird von Heinz Wellmann - vielen Reesern in seinen Rollen als Nachtwächter, Hein vom Rhein, Mesner oder Paul Laner bekannt - dargestellt. Zwei weitere Mitstreiter springen bei Bedarf für die Akteure ein oder helfen im Hintergrund. 

Das Zielpublikum zieht Tommi Nienhuysen weit: „Von Jung bis Alt, alle die sich gerne gruseln, alle die gerne zu Horrorevents, Krimidinner, Gruseldinner gehen oder die sich einen Horrorfilm ansehen. Und alle, die sich für Historisches und Mittelalterliches interessieren.“ Dabei weist der 46-jährige Friseurmeister darauf hin, dass man nicht laufend erschreckt wird, es wird auch lustig und informativ. 

Tommi und Heinz sind sich hier einig, das Programm ‘Henkersnacht’ ist für alle Sinne, alle sieben Sinne werden berührt. Nur allzu schreckhafte Menschen, Schwangere oder oder Personen mit Herz- oder oder Kreislaufschwäche - sind hier eindeutig auf der falschen Veranstaltung. 

Wie kommt man auf so eine Idee? 

 Der 46-jährige Friseurmeister Tomas ist seit früher Kindheit ein Horrorfan. Als Kind sah er im Fernsehen eine Reportage über eine Horrorübernachtung in einem Schloss in Großbritannien. Seitdem sucht er vergleichbares in Europa, selbst bei Recherchen im Internet ist er nicht fündig geworden. So etwas selber aufzuziehen, da traute er sich lange Zeit nicht ran. Erst nach umfangreicher Ausbildung zum Reeser Nachtwächter - durch den Gildemeister der Nachtwächter, Türmer und Figuren Heinz Wellmann - wollte er ein eigenes Gruselevent starten.

Dass sein Ausbilder, Heinz Wellmann, mit ins Boot sollte, war Tomas schnell klar. Doch der war alles andere als begeistert: „Als Tommi mit der Idee um die Ecke kam, war ich schon sehr sehr skeptisch, fast schon ablehnend. Denn ‚Henker’ ist nicht einfach und um das Thema gibt es auch zu viel Klamauk.“ 

Erst nach einer gemeinsamen Reise nach Rothenburg ob der Tauber und der dortige Besuch einer historischen, glaubwürdigen und gutgemachten Henkersführung, reifte bei Heinz Wellmann der Entschluss die Rolle auf Rees zu projizieren: „Schließlich sind auch auf dem Reeser Marktplatz Menschen hingerichtet worden.“ 

Nach und nach arbeitete sich der 60-jährige Rentner und Reeser Gästeführer in die Materie ein: „Wenn man sieht, wer schon alles verurteilt und auf vielfache Weise dann umgebracht wurde. Das fängt an mit Klaus Störtebecker, Schinderhannes, König Ludwig XVI. bis hin zu Jesus, der von den Schergen der Römer ans Kreuz geschlagen und damit hingerichtet wurde.“ Laut Wellmann gibt es schon immer Henker, nennt als Beispiel Brasilien vor 12.000 Jahren: „Man hat dort Skelette gefunden, bei denen die Köpfe ganz sauber abgetrennt wurden. Es ist eindeutig, dass diese enthauptet wurden.“ 

Auch in Rees gab es Henker und Hinrichtungen. 

Auch über Hinrichtungen in Rees hat Heinz Wellmann sich schlau gemacht: Zur Zeit der spanischen Besatzung wollte jemand die Stadt verraten. Das Verbrechen wurde aber aufgedeckt, der Mann angeklagt und der Urteilsspruch lautete „Vierteilen.“ Der Henker kam aus Kleve und vierteilte den Mann auf dem Reeser Marktplatz. Die vier Teile wurden von außen an die vier Reeser Stadttore genagelt – zur Abschreckung. „Es ist sehr viel Blut geflossen.“, fasst Wellmann die damalige Zeit zusammen, „Heute finden genau an derselben Stelle Veranstaltungen wie Kirmes, Wochenmarkt oder unsere ‘Alltagsmenschen’ statt.“

Andrea Collins, Inhaber der Reeser Rheinterrassen war - im Gegensatz zu Heinz Wellmann - sofort von der Idee ‚Henkersnacht’ und ‚Henkersmahlzeit’ begeistert: „Ich fand die Idee total gut. Ich bin immer glücklich, wenn Leute mit einer guten Idee um die Ecke kommen.“ Beim dem Menü zur Henkersmahlzeit möchte die 43-Jährige nicht zu viel verraten: „Das Essen soll total lecker schmecken, soll nicht wirklich etwas Ekliges sein, aber es soll ekelig aussehen.“ 

Bericht + Fotos: Ⓒ REES.jetzt / Dirk Kleinwegen